Erfüllter leben


Übersicht Leseempfehlungen

Arbeit in der Postwachstumsgesellschaft. Diagnosen, Prognosen und Gegenentwürfe

Eine kommentierte Literaturübersicht

“Die Literaturübersicht erfasst Beiträge aus der Postwachstumsdebatte, die sich mit den Folgen ökologischer Krisen und mit Gegenentwürfen für Wirtschaft und Arbeit im Globalen Norden beschäftigen. Autor_innen mit dramatischen Krisenannahmen und Schrumpfungsszenarien gehen für die Zukunft von einer ReTraditionalisierung und Dualisierung von Wirtschaft und Arbeit aus und möchten diese sozial gerecht gestalten. Dagegen erwarten andere Beiträge ökonomische und ökologische Krisen mit zunehmender Unterbeschäftigung und Prekarität im Rahmen eines hocharbeitsteiligen globalen Kapitalismus. Die Gegenentwürfe sehen entweder öko-soziale Transformationen im Rahmen kapitalistischer oder in gemischtsozialistischen Produktionsverhältnissen vor. Die hier insgesamt thematisierten Entwicklungsannahmen und politischen Gestaltungsoptionen können als Szenarien gelesen werden, die den Möglichkeitsraum der Strukturierung von Wirtschaft und Arbeit im Globalen Norden unter der Annahme zunehmender ökologischer Krisen kennzeichnen. Daraus ergeben sich eine Reihe von weiterführenden Fragen nach der Wahrscheinlichkeit der Prognosen und der sozialen und politischen Durchsetzbarkeit der Gegenentwürfe…..

Das Ziel unserer kommentierten Literaturübersicht besteht darin, die Diskussionen zur ökologischen Krise und zu Postwachstumsgesellschaften1 einerseits und zur Gegenwart und Zukunft der Arbeitsgesellschaft andererseits aufeinander zu beziehen. Beide Forschungslinien gewinnen bereits in den 1970/80er Jahren in den Gesellschaften des globalen Nordens an Gewicht. Das Stichwort für die weltweit geführte Ökologiedebatte gibt der Bericht des Club of Rome zu den „Grenzen des Wachstums“; das Stichwort zur Arbeitsgesellschaft kommt in Deutschland aus der Diskussion um das „Ende der Arbeit“ (Offe). Allerdings laufen beide Forschungslinien parallel und sind wenig aufeinander bezogen: wachstumskritische Positionen thematisieren (Lohn-)Arbeitsfragen oftmals auffällig knapp und umgekehrt ist zu beobachten, dass arbeitsund wirtschaftssoziologische Analysen nur sehr selten auf die Komplexe Wachstumskritik und Postwachstum eingehen. So ist insgesamt „das Thema Arbeit in die Debatte um nachhaltige Entwicklung noch immer wenig integriert“ (Diefenbacher 2013:176). Zwar wird seit 40 Jahren über das Ende der Arbeit, der Arbeitsgesellschaft oder der Vollbeschäftigungsgesellschaft diskutiert. Die Frage nach den Folgen der ökologischen Krisen kommt in dieser Forschungslinie jedoch kaum vor. Als Treiber werden vielmehr neue Technologien sowie Prozesse der Globalisierung und des Wertewandels thematisiert. Neuerdings werden von Ökonom_innen sinkende Wachstumsraten in den frühindustrialisierten Ländern beobachtet und mit der „Industrie 4.0“ bekommt die Technologiedebatte einen neuen Schub. Wir halten diese doppelte Leerstelle – also die relativ geringe Thematisierung von (Lohn-)Arbeit in der Postwachstumsdebatte einerseits sowie die relative Blindheit der Arbeitssoziologie für die (ökologische) Wachstumskritik andererseits – für problematisch (vgl. Mahnkopf 2012). Denn bereits heute verändert sich die Arbeitsgesellschaft als Reaktion auf ökologische Krisen. Mittlerweile sind ganze Branchen damit beschäftigt, Verfahren zur Gewinnung erneuerbarer Energien zu entwickeln oder Umweltschäden zu bearbeiten. Wenn sich der Klimawandel und die Umweltprobleme verschärfen, wird dies weitreichende Konsequenzen für die gesellschaftliche Organisation der Arbeit nach sich ziehen und dies gilt erst recht für Gesellschaften mit Negativwachstum. Wir wollen deshalb die Diagnosen, Prognosen und Zukunftsentwürfe in der gegenwärtigen Debatte um Postwachstum nach ihren impliziten und expliziten Annahmen zur Arbeitsgesellschaft befragen. Anders gesagt lesen wir die vorliegenden – im weitesten Sinne – wachstumskritischen Positionen ausdrücklich auf ihren diagnostischen, prognostischen und programmatischen arbeits- und wirtschaftssoziologischen Gehalt hin: Wie wandelt sich die gesellschaftliche Organisation von (Lohn-)Arbeit angesichts ökologischer und wirtschaftlicher Krisen? Und wie wird in den jeweiligen Gegenentwürfen Arbeit konzeptualisiert? Aus pragmatischen Gründen beschränken wir uns dabei auf die Gesellschaften des globalen Nordens. Um diese Fragen zu beantworten werden wir in einem ersten Schritt eine Systematisierung der laufenden Postwachstumsdebatte in vier Diskursfelder vornehmen. Anschließend geht es um die Forschungslinie zur Gegenwart und Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Aus einer Übersicht über beide Forschungslinien gewinnen wir dann die Kriterien für die Analyse der Literatur.“

Quelle: Working Paper 6/2015 der DFG-KollegforscherInnengruppe Postwachstumsgesellschaften